Stromspeicher: die stille Revolution im EnWG?

Liebe Leser,

fast schon im Verborgenen hat sich am 01. Juli eine Zeitenwende vollzogen!

Mit Wirkung ab diesem Datum wurde im EnWG die Definition der „Energiespeicheranlage“ neu gefasst – als die letzte wirksam werdende Änderung aus dem „Sofortmaßnahmengesetzes“ vom 19.07.2022. Dieses hatte einen bis heute andauernden Solarboom ausgelöst, durch die unter anderem deutliche Erhöhung der Vergütung für Solar/Gebäude-Anlagen per resultierendem EEG 2021-IV, in dem die besagten „Energiespeicheranlagen“ jedoch als „Stromspeicher“ firmieren.

Bis vor wenigen Tagen galten derlei technische Einrichtungen im Rahmen des Einspeichervorgangs noch als Letztverbrauchseinrichtung. Bei der Ausspeicherung wurden sie wiederum zum (dezentralen) Erzeuger. Soweit der seinerzeitige Versuch, ein neues System in die althergebrachten Marktrollen zu integrieren, ohne eine neue definieren zu müssen. Zugegeben: Das wiederum hätte viel Arbeit bedeutet, denn es ist unbestritten, dass, vereinfacht gesagt, Energie vom Speicher aufgenommen und wieder abgegeben werden kann. Da stellt sich dann mehr als nur die Frage der Bilanzierung.

Das erste Mal befasste ich mich Ende 2014 näher mit dem Thema Stromspeicher. Einmal aus Verteilnetzbetreibersicht, aber auch aus Sicht derer, die sich sinnvolle Geschäftsmodelle unter Beteiligung von Stromspeichern erarbeiten wollten.

Sehr rasch stieß ich dabei auf diese „Zwitterrolle“, die Stromspeicher im deutschen Stromversorgungssystem einnahmen. Diese Doppel-Einordnung erschien selbst mir als Betriebswirt sofort fragwürdig, denn auch ohne den Energieerhaltungssatz bemühen zu müssen, handelt es sich bei Stromspeichern doch viel mehr um ein „Puffersystem“, das die tatsächliche „Erzeugung“ sowie den (endgültigen) Letztverbrauch zeitlich, in einem gewissen Rahmen, zu entkoppeln vermag.

Machen wir es kurz: diese Einordnung eines Systems in zwei Marktrollen führte am Ende unter anderem zum berüchtigten § 61l EEG 2021 und dazu, dass jeder, der es wagte, über Geschäftsmodelle mit Stromspeichern nachzudenken, in seinem Elan doch zumindest merklich begrenzt wurde.

Per § 61l EEG, der mit Wirkung zum 01.01.2023 – mit dem faktischen Wegfall der EEG-Umlage – aufgehoben wurde, hatte der Gesetzgeber den verzweifelten Versuch unternommen, Stromspeicher von einer doppelten Pflicht zur Entrichtung der EEG-Umlage zu befreien, die durch seine Einordnung in zwei Marktrollen theoretisch entstanden war. Diese Norm konnte im Ergebnis, da lehne ich mich gelassen aus dem Fenster, als in der Praxis so gut wie nicht anwendbar bezeichnet werden. Einmal mehr war es dem deutschen Gesetzgeber gelungen, ein Problem zu schaffen, das er selbst im Nachgang nicht mehr in den Griff bekam. Und die EEG-Umlage war ja nur ein Stolperstein der Doppelrolle, denken wir bspw. an die Stromsteuer. Im Stromsteuergesetz firmiert die „Energiespeicheranlage“, respektive der „Stromspeicher“ übrigens als „stationärer Batteriespeicher“. So viel zur Vielfalt in der Nomenklatur.

Dass niemand so genau wusste, wohin Stromspeicher denn nun gehören, merkte so mancher Betreiber auch beim Thema Netzanschluss, denn Privilegien, die bspw. für EEG-Primärerzeugungsanlagen gelten, gelten nicht für alle Speicher – es sei denn, er ist gleichzeitig auch eine EEG-Anlage.

Warum aber jammern und über Vergangenes klagen? Wozu die Frage, warum diese sinnvolle Neudefinition so lange dauern musste? Seit dem 01. Juli ist doch nun im energiewirtschaftlichen Grundgesetz, dem EnWG, die Rolle des „Energiespeichersystems“ endlich definiert als „Puffersystem“, mit dem die endgültige Nutzung der eingespeicherten Energie auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden kann. Adieu Erzeuger, adieu Letztverbraucher!

Statt eines rückwärts gerichteten Denkens muss doch die spannende Frage heute lauten: „Was hat sich also jetzt, basierend auf dieser Neudefinition, weiterhin gesetzlich geändert?“ Die Antwort fällt derweil weniger spannend aus: „Noch gar nichts!“

Vielmehr ist es nun am Gesetzgeber und der Bundesnetzagentur, im Rahmen der lange angekündigten „Speicherstrategie“, einen gelungenen Rahmen zu schaffen, so dass „Energiespeicheranlagen“ ihren Beitrag leisten können zur Energiewende im Rahmen ihrer netzstabilisierenden Möglichkeiten – denn auf diese wird es zukünftig ankommen!

Spätestens ab Anfang August 2026 sollte zumindest die Novelle des § 118 Abs. 6 EnWG gelungen sein, denn ansonsten fallen ab diesem Zeitpunkt für Speicher, die ab dem 04. August 2011 in Betrieb gegangen sind, für die eingespeicherte Energie sukzessive und für Neuanlagen sofort die vollen Netzentgelte an. Das würde nicht nur Multi-Use-Geschäftsmodelle nochmals unattraktiver machen, denen heute bereits das Ausschließlichkeitsprinzip des EEG im Wege steht.

Es ist also enorm viel zu tun, und es darf die Hoffnung geäußert werden, dass die kommenden Normen und Vorgaben praxisdienlich ausfallen mögen, und keine Regelungen entstehen à la § 61l EEG 2021.

 

Ein Hinweis noch in eigener Sache:

Bei Ihnen als VNB erfährt das Einspeise-Team Zuwachs durch einen Quer- oder Berufseinsteiger? Das freut mich, denn jede Hilfe ist wertvoll! Ich habe mein Schulungsportfolio unter https://steinkamp-energie.de/veranstaltungen/ erweitert um Grundlagenschulungen, die helfen sollen, diese Mitarbeiter durch meine Erfahrung noch schneller hilfreich werden zu lassen!

 

Herzliche Grüße

 

Kai Steinkamp