Liebe Leser,
im Rahmen meiner Schulungen zum Solarpaket I hatte ich mit den interessierten Teilnehmern erstmals die seinerzeit neu in das EEG aufgenommenen zukünftigen Möglichkeiten zur Flexibilisierung und marktlichen Nutzung von Stromspeichern diskutiert, mit denen der Gesetzgeber ein netzdienliches Verhalten von insbesondere auch Heimspeichersystemen anreizen möchte.
Hierfür sollen Wege geschaffen werden, die es erlauben, den Speicher aus dem Netz zu beladen, ohne dadurch für jeweils das betroffene Kalenderjahr den Vergütungsanspruch für den kompletten in das Netz ausgespeicherten Strom zu verlieren, der zu Teilen beispielsweise aus der Aufdach-PV-Anlage stammt. Soweit sich ausgespeicherter Strom nicht messtechnisch von zeitgleich in der PV-Anlage erzeugtem und direkt in das Netz eingespeistem Strom unterscheiden lässt, erstreckt sich der Vergütungsverlust aktuell sogar auf den kompletten eingespeisten Strom. In diesem Fall bleibt dem Anlagenbetreiber nur die sonstige Direktvermarktung.
Neuer Wind per Solarspitzen-Gesetz!
Mit dem Inkrafttreten des sogenannten Solarspitzen-Gesetzes zum 25.02.2025 erfuhr das Thema der Flexibilisierung und marktlichen Nutzung von Stromspeichern nochmals Schub. Die bereits im Rahmen des 48. Fachgesprächs der Clearingstelle EEG | KWKG am 10.10.2024 durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) vorgestellten Modelle der
- Abgrenzungsoption (rechnerische Abgrenzung der Stromflüsse zur Bestimmung der vergütungs- und saldierungsfähigen Anteile auf Basis von Messwerten) sowie der
- Pauschaloption (Bestimmung der vergütungs- und saldierungsfähigen Anteile der Netzeinspeisung nach pauschalen Vorgaben)
hielten Einzug in § 19 Absatz 3 EEG.
Abschied von den bisherigen Lösungsansätzen
Die im Solarpaket I zunächst noch vorgesehenen Modelle der kalendermonatlichen Wechselmöglichkeit zwischen EEG-Vergütung und „Marktbetrieb“ des Speichers sowie der jederzeitigen Wechselmöglichkeit mit „Entleerungsnachweis“ wurden durch die oben genannten Optionen ersetzt. Dass es zu den zunächst geplanten und per elektronischer Marktkommunikation zu versendenden „Entleerungsnachweisen“ nicht kommen wird, erscheint mir kein allzu großer Schaden zu sein. So fühlte ich mich bei dieser Begrifflichkeit seinerzeit doch sofort wieder an die für das natürliche Verständnis alptraumhaft ausformulierten „Ausnahmen von der Pflicht zur Zahlung der EEG-Umlage“ im EEG (dort zunächst im § 61k und nachfolgend im § 61l) erinnert; ergänzt durch die zugehörige Empfehlung der Clearingstelle EEG | KWKG, die sicherlich in bester Absicht verfasst war, dem Anwender beim VNB die Umsetzung der oben genannten Norm schmackhaft zu machen.
Entsprechend „flächendeckend“ wurden denn auch die Pflichtausnahmen insbesondere im Hauptanwendungsfall – EEG-Speicher in der Kundenanlage ohne Beladung aus dem Netz – umgesetzt. Dabei hätte es zur Befreiung der Speicherverluste von der EEG-Umlage doch nur einer Zweirichtungsmessung am Speicher bedurft sowie der Anwendung der Formel „Speicherverlust = Füllstand Beginn + Einspeicherung – Ausspeicherung – Füllstand Ende“. Wie der Füllstand genau hätte ermittelt werden sollen, zumal unter Berücksichtigung von definierten Saldierungsperioden? Da hat der Jurist die Rechnung einmal mehr ohne den Physiker gemacht!
Das Festlegungsverfahren zur Marktintegration von Speichern und Ladepunkten (MiSpeL)
Zurück ins Hier und Jetzt. Zurück zu den neuen geplanten Möglichkeiten für die marktaktive Nutzung von kleinen und großen Speichern, die per Solarspitzen-Gesetz, wie schon erwähnt, Einzug in EEG und EnFG (dort in den § 21) gehalten haben und für deren Ausgestaltung auch nach der neuen Gesetzesfassung vom 25.02.2025 per § 85d EEG die BNetzA zuständig ist. Zieldatum: 30.06.2026.
Der MiSpeL-Workshop der Bundesnetzagentur vom 01.10.
Am 01.10.2025 fand ein öffentlicher Workshop statt, in dem die BNetzA ihre bisherigen Ausarbeitungen zu insbesondere der Abgrenzungs- und Pauschaloption vorgestellt hat.
Die entsprechenden Informationen finden Sie unter https://www.bundesnetzagentur.de/1067830.
An der großen Teilnehmerzahl (knapp 70 vor Ort und etwa 700 remote, darunter meine Wenigkeit) ließ sich das große Interesse der Branche am Thema „marktaktive Speicher“ ablesen.
Im Grundtenor der erfreulich zahlreichen Wortmeldungen im Rahmen der gut besuchten Veranstaltung schwang mit, dass da offenbar erneut eine weitere hochkomplexe Regelung auf die Branche zukomme.
Und ja, für beide Optionen hat sich die BNetzA die Mühe gemacht, entlang der zwingenden gesetzlichen Vorgaben wohlgemerkt, Randbedingungen zu definieren sowie beide Modelle dem Wortlaut nach in skalierbare Rechenformeln zu gießen.
Den Referenten Sötebier und Stratmann war es wichtig, festzuhalten, dass die im Rahmen des Workshops vorgestellten Formeln zum einen allgemein nachvollziehbar und in Algorithmen übertragbar seien, zum anderen aber insbesondere auch jeweils bis zum Ergebniswert dargestellt seien. Ziel sei es gewesen, dass im Anwenderkreis zukünftig nicht gerätselt werden müsse, wie dieser oder jener Rechenschritt denn nun zu erfolgen habe. Auch wolle man sich mit der Eindeutigkeit und der mathematischen Belastbarkeit gerade von den Erfahrungen abheben, die der Markt beispielsweise mit den Versuchen unternehmen musste, die bereits erwähnten „Ausnahmen von der Pflicht zur Zahlung der EEG-Umlage“ umzusetzen.
Im Ergebnis liegen nun in jedem Falle komplexe Ausarbeitungen zur Konsultation vor, bezüglich deren Finalisierung die BNetzA zuversichtlich ist, dass diese definitiv noch vor oder aber zumindest spätestens bis zum gesetzlichen Pflichttermin, dem 30.06.2026, erfolgen wird. Ab Erlass der Festlegung soll dann zumindest die Abgrenzungsoption sofort anwendbar sein. Die Pauschaloption wiederum steht aktuell noch unter dem beihilferechtlichen Genehmigungsvorbehalt der EU-Kommission (§ 101 EEG).
Nun hat die BNetzA selbst umfassendes Informationsmaterial zur Konsultation zur Festlegung zur Marktintegration von Speichern und Ladepunkten (Az.: 618-25-02) bereitgestellt. Zahllose Interessenvertreter haben direkt mit zusammenfassenden Informationen reagiert – was gibt es also zum Thema MiSpeL-Workshop Stand heute überhaupt noch zu sagen, was einem nicht bereits ein Blick auf beispielsweise LinkedIn oder eine Anfrage an die KI hätte bieten können?
Denkanstöße zur MiSpeL
- Deckungsgrad der Berechnungsformeln: Auch wenn die von der BNetzA vorgestellten Formeln komplex sind, so behandeln diese rein vorab definierte und im Aufbau einfache Standardfälle. Strukturelle Erweiterungen seien dabei laut den Verfassern jederzeit möglich, nur müsse das jeweilige Messkonzept in jedem Falle den Anforderungen der MiSpeL-Festlegung genügen. In jedem Falle gilt: Viertelstündliche geeichte Messwerte sind die grundlegende Voraussetzung für beide Optionen. In diesem Sinne: Geben Sie als Verteilnetzbetreiber Standard-Messkonzepte für Standard-Objektanordnungen vor. Geht der Anwendungsfall darüber hinaus, was zukünftig vermutlich regelmäßig der Fall sein wird, so liegt die Aufgabe der tragfähigen und MiSpeL-konformen Formelvergabe beim Anfragenden!
- Bilanzierung und Marktprozesse: Sie fragen sich, wie es in den neuen Optionen mit der Bilanzierung und der Zuordnung der Marktlokationen (MaLo) laufen soll? Dazu sagen die BNetzA-Dokumente nichts Konkretes, außer dass die Bilanzierung auf Basis von gemessenen Viertelstundenwerten und bei der Einspeisung in einem separaten Bilanzkreis gemäß § 20 Satz 2 EEG zu erfolgen hat. Im Rahmen des Workshops wurde jedoch erwähnt, dass die entsprechenden Marktprozesse (GPKE, MaBiS, WiM) zunächst noch angepasst bzw. aufgebaut werden müssten, sodass unter anderem die saubere bilanzielle Trennung von Lade-, Entlade- und ggf. Eigenverbrauchsvorgängen sichergestellt sei. Ein weiterer Grund: Zukünftig müssen Speicher und Primärerzeugungsanlage(n) (bspw. die PV-Aufdach-Anlage) bei Nutzung eines der Modelle immer synchron der EEG-Veräußerungsform der Marktprämie sowie einer der beiden Optionen zugeordnet sein. Speicher seien in diesem Sinne laut BNetzA dann prozessual wie EEG-Anlagen zu betrachten. Die bilanziellen Anforderungen aus § 20 Satz 2 EEG sowie die Beschreibung zur Pauschaloption „[…] Damit ist nur ein minimaler Messaufwand erforderlich, um Solarerzeugung, Stromspeicher und Ladepunkte unter Wahrung der grünen Eigenschaften flexibel am Markt nutzen zu können.“, könnten hier den entscheidenden Hinweis liefern. Es kann demnach, die entsprechende Umsetzung in den Marktprozessen vorausgesetzt, voraussichtlich bei einer erzeugenden MaLo bleiben, indem man so tut, als sei das Gesamtkonstrukt „grün“ – bei nachträglicher Mengenabgrenzung in förderfähig und nicht förderfähig bzw. saldierungsfähig und nicht saldierungsfähig. Zu verwenden wäre in diesem Falle der entsprechende EEG-Summenzeitreihentyp.
- „AW>0-Zeiten“: In den BNetzA-Formeln finden sogenannte „AW>0-Zeiten“ Berücksichtigung. Das sind Viertelstunden, in denen der anzulegende Wert der Primärerzeugungsanlage positiv ist. Beispielhaft werden dabei in den Unterlagen als Auslöser eines anzulegenden Werts von null negative Börsenpreise Vergessen Sie dabei aber nicht, dass es auch genauso andere Auslöser für einen anzulegenden Wert von null geben kann und auch nicht, dass der Börsenpreis als Auslöser nicht immer null sein muss. Siehe § 51b EEG: Verringerung des Zahlungsanspruchs für ausschreibungspflichtige Biogasanlagen bei schwach positiven und negativen Preisen!
- Der Anlagenbetreiber: In der Pauschaloption müssen Anlagen- und Speicherbetreiber zwingend personenidentisch sein (Ausnahme: Herr Müller betreibt die PV-Anlage und Frau Müller den Speicher). In der Abgrenzungsoption ist das nicht zwingend, was es im Rahmen der Umsetzungsarbeiten in der VNB-Software unter anderem zu berücksichtigen gilt.
- Veräußerungsform und Innovationsausschreibungen: In § 19 wird die EEG-Festvergütung als Veräußerungsform bei Nutzung einer der beiden Speicheroptionen ausgeschlossen. Voraussetzung sei die viertelstündliche Bilanzierung und insbesondere auch das marktliche Verhalten. Daher: Marktprämie! Im Übrigen sind die neuen Optionen nicht von Anlagen nutzbar, die an einer Innovationsausschreibung teilgenommen haben. In diesem Falle darf der Speicher in der Kombination mit einer Primärerzeugungsanlage nur im klassischen Ausschließlichkeitsprinzip gefahren werden. Dies ist von der EU so vorgegeben. Der Rat daher im Zweifelsfall: auf normale MPM-Ausschreibungen gehen!
- Abschlagsberechnung: Im Rahmen des Workshops wurde die Frage gestellt, wie denn nach dem Inkrafttreten der neuen Optionen die Abschlagsberechnung zur Marktprämien-Vergütung für diese Konstrukte erfolgen könne – insbesondere mit Blick auf die Abgrenzungsoption. Die BNetzA blieb diesbezüglich eine Antwort schuldig, zumal an vielen Stellen in den Formeln auch Jahressummen berücksichtigt werden, wofür extra festgelegt wurde, dass sich die Marktprämie bei der Teilnahme an einer Option immer zwingend über den Jahresmarktwert berechnet – unabhängig davon, dass dies bei Anlagen vor dem EEG-2023 ansonsten, ohne Nutzung einer Speicheroption, nicht der Fall ist. Der VNB-Mitarbeiter fängt da doch gleich an zu überlegen, wie er diesen Mechanismus dann wieder seinem Bestandsanlagenbetreiber erklären kann – wenn er denn in seinem eigenen System dann sicher umgesetzt ist! Vielleicht liefert uns die BNetzA im weiteren Verfahren ja noch sachdienliche Hinweise zu diesem Thema.
- Zuordnungsbeginn: Alle Formeln und Abgrenzungen im Rahmen der MiSpeL unterstellen einen Beginn der Zuordnung zu einer Option und dem Marktprämienmodell zu einem Monatsersten. Untermonatliche Inbetriebnahmen scheinen dabei zunächst noch nicht berücksichtigt zu sein. Bezüglich dieses Themas hatte ich von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine Stellungnahme im Rahmen des Konsultationsverfahrens abzugeben, um eine Klärung des Sachverhalts herbeizuführen.
- Privilegierung von Speicherverlusten: Sie fragen sich, warum die Speicherverluste im Abgrenzungsmodell teilweise privilegiert sind? Hierbei handele es sich laut BNetzA schlichtweg um die Umsetzung einer gesetzlichen Vorgabe. Die Speicherverluste als solche würden darüber hinaus die Betreiber bereits viel Geld kosten. Ziel sei es aber gerade, Speicherbetreiber zu Arbitragegeschäften anzuregen. Dies würde sich stärker lohnen, wenn die Verluste nicht noch mit den Umlagen belastet würden. Wenn man jetzt aber weiterdenkt: Sollte das Ziel des markt- und netzdienlichen Speicherverhaltens einmal voll erreicht sein, würde das gleichzeitig bedeuten, dass Arbitragegeschäfte dann nicht mehr möglich sein werden. Wie dann wohl mit der Schaffung von Anreizen weitergeht?
- Inkrafttreten der Pauschaloption: Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich die Pauschaloption nach ihrer beihilferechtlichen Genehmigung zur Standardoption entwickeln wird für kleine PV-Anlagen in Kombination mit einem Heimspeichersystem. Wichtig zu wissen ist dabei, dass die Option nach ihrer Genehmigung durch die EU-Kommission nicht rückwirkend anwendbar sein wird, sondern nur in die Zukunft. Für beide Optionen gilt aber gleichermaßen, dass diese zukünftig immer auch von Bestandsanlagen genutzt werden dürfen.
Die BNetzA hat tatsächlich einen hochinformativen Workshop veranstaltet und intensive Arbeit in die möglichst in jedem Falle tragfähige Umsetzung der Vorgaben aus dem EEG und dem EnFG investiert. Nach weniger Bürokratie sieht es am Ende bei Weitem nicht aus, aber das kann man wohl an dieser Stelle der BNetzA nicht ankreiden. Übrigens hat man im Rahmen des Workshops auch gleich ganz nebenher lernen dürfen, was ein Eigelbtrenner ist. Ich kannte bisher nur den Eierschalensollbruchstellenverursacher.
Trotz oder gerade wegen der Informationsflut zur MiSpeL: Haben Sie konkrete Fragen oder überlegen Sie, wie Sie sich unternehmensintern auf das Thema „MiSpeL“ vorbereiten sollen? Kommen Sie jederzeit gerne auf mich zu!
Herzliche Grüße
Kai Steinkamp