Liebe Leser,
am 26.04. hat das „Solarpaket I“ seinen Weg durch Bundestag und -rat geschafft – fast genau ein Jahr nach der Veröffentlichung der „Photovoltaik-Strategie“ durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
Die große Welle der Berichterstattung ist inzwischen durch, die Schlaglichter inzwischen jedem Interessierten bekannt; auch die des Änderungsantrags der Ampelkoalition zum „Solarpaket I“ vom 15.04.
An der Streuung der allgemeinen Übersichtsinformationen habe ich mich indes bewusst nicht beteiligt, denn am Ende sind für meine Leserschaft die Details interessant. „Was bedeutet das denn nun in der Umsetzung?“, ist dabei eine der Kernfragen, der ich mich nach Inkrafttreten auf gewohntem Wege, sei es per ausführlichem Praxis-Webinar für Verteilnetzbetreiber Strom und auch per Newsletter widmen werde.
Immer wieder tauchte im Zusammenhang mit der Berichterstattung rund um das „Solarpaket I“ die frohe Kunde um eine Reduzierung der bürokratischen Aufwände auf, die mit diesem einherginge.
Vereinfachungen in der Abwicklung – vielleicht sogar für die Verteilnetzbetreiber? Das wäre ja was, denn grob über den Daumen kann ich aus meiner langjährigen Erfahrung sagen, dass es das noch nie gab!
Sie ahnen es schon: Befasst man sich näher mit den in Kürze kommenden Änderungen, dann ist das Ergebnis durchaus ernüchternd, denn auf der Suche nach Vereinfachungen für die Netzbetreiber geht man so gut wie leer aus. Verkomplizierungen finden sich jedoch zuhauf!
Meinem Kundenkreis, der sich hauptsächlich aus Verteilnetzbetreibern zusammensetzt, helfe ich in allen vorhandenen und kommenden Themen jederzeit gerne nach Kräften weiter, aber man muss sich schon fragen, wohin uns die Politik führt mit ihrer praxisfernen und lückenhaften Kleinteiligkeit. Im schlimmsten Fall in den Stillstand bzw. eine Beinahe-Handlungsunfähigkeit auf der Ebene, auf der Dinge faktisch funktionieren müssen.
Ohne über diesen Kanal zu sehr ins Detail gehen zu wollen (emotionale Zurückhaltung meinerseits inklusive): Bei der so hoch gelobten „bürokratiearmen“ Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung wird man in der Praxis feststellen, dass jedes Messgerät Messungenauigkeiten aufweist und dass eine Verrechnung von vielen (ungenauen) Kleinstmengen nicht zu einer Verbesserung des Ergebnisses führt. Fügt man dann noch die Tatsache von je zwei Lieferanten an einer Marktlokation hinzu, die Wahlfreiheit des Messstellenbetriebs und den Fakt, dass Übertragungsstrecken selten zu 100% stabil sind, fragt man sich schon, wo am Ende die Vereinfachung geblieben ist gegenüber dem bisherigen Mieterstrommodell – und für den leidgeprüften Netzbetreiber. Als ich unlängst zum Thema eine Veranstaltung aus Erzeugersicht besuchte, fiel der Satz „das mit dem Verteilschlüssel in der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung, das können ja sogar die Netzbetreiber rechnen“. Dass Netzbetreiber (hier hätte im Übrigen der MSB angesprochen werden müssen, der die Berechnungsformel per UTILTS vom Netzbetreiber erhält) nicht rechnen können, war aus meiner Sicht noch nie das Problem. Licht geht an und selbst Ihre frequenzsensiblen Verbraucher laufen? Beweisführung seitens des Netzbetriebs abgeschlossen! Im Übrigen ist es der Mathematik egal, ob die Ergebnisse aus fachlicher Sicht plausibel bzw. verwendbar sind, oder auch nicht.
Tatsächlich ist das Problem vielmehr in der bereits erwähnten Praxisferne des Gesetzgebers zu suchen. Die Insider erinnern sich sicher noch an die Sache mit der EEG-Umlage auf in einer Kundenanlage eingespeicherten Strom und den Versuch des Gesetzgebers, eine Doppelbelastung mit der EEG-Umlage nach dem 01.08.2024 zu verhindern. Diese hätte es gar nicht geben müssen, hätte der Gesetzgeber seine Hausaufgaben gemacht und den Speicher zeitnah als eigenständiges energiewirtschaftliches Objekt ausgeprägt, das seiner tatsächlichen Rolle im System gerecht geworden wäre. Die Regelung unter §61l EEG 2021 „Ausnahmen von der Pflicht zur Zahlung der EEG-Umlage“ war nun in seiner Umsetzung ein reines Monster, an dessen volkswirtschaftliche Kosten man gar nicht denken mag. Die Abwicklungsprozesse, wie fast überall im EEG-Umfeld, mit Handarbeit versehen, denn es musste mit ungeeicht erfassten Füllständen hantiert werden. Lieber verliert man sich also im Kleinen, anstatt die Themen an der Wurzel zu packen!
Meine Prophezeiung: mit dem neu kommenden § 19 Absatz 3a Satz 4 und Absatz 3b EEG zur flexiblen Speichernutzung (unterjähriger Wechsel zwischen Grün- und Grau- bzw. Mischstromspeicherung) wird ein Konstrukt noch schwereren Kalibers auf uns zukommen. Die fachspezifischen Anwaltskanzleien dürfte es freuen, denn die ausgebuchten Vortragsserien sind garantiert! Dann wird übrigens statt mit Füllständen mit „Entleerungsnachweisen“ hantiert werden; irgendwann auch über Marktprozesse. Denen, die es etwas konkreter wünschen, helfe auch ich dann selbstverständlich gerne weiter – vielleicht sollte ich mich also gar nicht beschweren?
Jetzt ist es aber so: dass sich die Umsetzung des Marktstammdatenregisters über Jahre hingezogen hat, tut erst einmal keinem so richtig weh. Die Einführung eines kruden zweistufigen EEG-Sanktionsmechanismus bei Nichtregistrierung von Anlagen im Register ab dem EEG 2017 wiederum schon, denn all das wollte ja umgesetzt und betreut werden. Per EEG 2023 wurde die Regelung zwar immerhin nicht aus dem Gesetz entfernt, aber doch derartig „verbogen“, dass sie heute praktisch kaum noch zu Anwendungsfällen in Sachen Strafzahlung führt. Ob man sich am Ende im Register anmeldet, ist eben doch nicht ganz so wichtig, wie es bei Einführung des Registers schien.
Da sowohl in der Festlegungskompetenz zu den o.g. neuen Absätzen des § 19 EEG als auch beim Marktstammdatenregister die BNetzA direkt beteiligt ist: Wie steht es eigentlich um den bilanziellen Ausgleich beim Redispatch 2.0? Nun, da tut sich wenig und das wird wohl auch noch länger so bleiben. Immerhin hatten die ÜNB unlängst die Notbremse gezogen wegen der Gefährdung der Netzstabilität.
Zum 01.04.2025 kommt dann, auch wenn das jetzt die Ausspeiseseite betrifft, der 24h-Lieferantenwechsel, der am 21.03. beschlossen wurde. Es wird doch sicher auch schon bei der BNetzA bemerkt worden sein, dass dann auch die Bilanzierung angefasst werden muss? Sonst würde sich mindestens ein Lieferant gehörig freuen! Und warum werden nochmal iMSys beim ÜNB bilanziert und der Rest beim VNB? Macht das Sinn? Nein, denn natürlich ist diese Aufblähung und Verzerrung der Prozesse völlig absurd, aber es musste seinerzeit ein politischer Kompromiss her. Lieber eine teure und schlechte Lösung als den Status Quo zu erhalten oder das Thema ganz an den ÜNB zu übertragen.
Und so geht es immer weiter und doch könnte man emotional werden, denn wir verwalten uns im Kleinklein schlichtweg zu Tode, solange sich die Waagschale weiter und weiter zum Unguten neigt – im Übrigen nicht nur in der Energiewirtschaft.
Die Netzbetreiber versuchen derweil händeringend, Personal für die EEG- und KWKG-Abwicklung zu gewinnen und, heute durchaus kein kleines Problem, auch zu halten!
In diesem Sinne: Für stabile 50 Hertz und einen kühlen Kopf – Praktiker nach vorn, denn manchmal ist auf dem Weg in die funktionierende Zukunft das „Pickerl“ an der Windschutzscheibe der erfolgreichere Weg als teure und störanfällige Mautbrücken. Machen Sie als Netzbetreiber auf sich aufmerksam, wo es nur geht, denn – das ist aber nur meine ganz persönliche Meinung – lieber kann ich auch in einigen Jahren noch zuverlässig möglichst sauberen Strom beziehen, als täglich (oder warum denn nicht gleich minütlich?), meinen Stromanbieter zu wechseln! Natürlich braucht es Digitalisierung, Prozesse und Automatisierung – aber Hand aufs Herz: Das EEG wird niemals voll automatisierbar sein, solange es in dieser ausufernden Form existiert.
Wenn Sie bereits heute konkrete Themen mit dem Solarpaket I (oder aktuell schlichtweg dem Jahresabschluss EEG und/oder KWKG?) haben: Kommen Sie jederzeit gerne auf mich zu – gerade weil es mit dem Bürokratieabbau nun leider doch nichts war!
Ihr
Kai Steinkamp