Liebe Leser,
wer kann sich aus seiner operativen Arbeit heraus noch an die Einführung des vergüteten Selbstverbrauchs bei Solar/Gebäude-Anlagen im Jahre 2009 erinnern?
Denjenigen, bei denen das der Fall ist, mag es ergehen wir mir: die körperlichen Zipperlein nehmen analog zum allgemeinen Erfahrungsschatz stetig zu. Das jedoch soll nun gerade nicht Thema dieses Newsletters werden.
Wer sich als Rechtsanwender beim Verteilnetzbetreiber im Jahre 2008 vorbereitend mit dem EEG 2009 auseinandersetzte, konnte damals noch nicht ahnen, welche Pendelpolitik im Grunde mit der letztgenannten Norm einsetzen sollte. Bis dahin waren die Fahrwasser des EEG eher ruhig – und es ging vergütungsseitig auch immer nur um den in das Netz für die allgemeine Versorgung eingespeisten Strom. Immerhin: seit der deutlichen Vergütungserhöhung für Solar/Gebäude-Anlagen ging es mit deren Anzahl stetig bergauf.
Die Geburtsstunde des vergüteten solaren Selbstverbrauchs
Vor diesem Hintergrund kam dem Gesetzgeber mit dem EEG 2009 der Gedanke, dass es für die Netze durchaus sinnvoll sein könnte, wenn der Strom aus Solar/Gebäude-Anlagen teilweise direkt vor Ort beim Erzeuger verbraucht würde; und wie könnte dieses Ziel besser erreicht werden als über eine finanzielle Förderung? So war er geboren, der vergütete solare Selbstverbrauch. Der war für die Betreiber von Neuanlagen eine richtig tolle Sache: Man spart sich den Strombezug aus dem Netz – inklusive der EEG-Umlage natürlich, die diesen zusätzlichen Kostenblock seinerzeit refinanzierte – und bekommt dafür sogar noch eine Vergütung, die im EEG 2009 mit 25,01 Ct/kWh ausgelobt wurde. Das Ganze zunächst begrenzt auf Anlagen mit einer installierten Leistung von bis zu 30 kW. Dass dieses Prinzip eine Tendenz zum Unsolidarischen hat, war damals noch kein Thema.
Die erste Umsetzung – ein kurzes Gastspiel
Was waren also die vorbereitenden Überlegungen der Anschlussnetzbetreiber zur Umsetzung der neuen Anforderungen? Alles, was es nach dem EEG mengenseitig zu vergüten gilt, muss messtechnisch erfasst werden – eichrechtskonform natürlich. Also musste eine Erzeugungsmessung her, denn die Ermittlung der vergütungsrelevanten neuen Strommenge bestand aus der Bildung der Differenz aus Erzeugung und Einspeisung – halb so wild.
„Am Ende ist auch im EEG-Umfeld alles nur Menge mal Preis!“ Jeder heutige EEG-Anwender erkennt in dieser Aussage sofort die Unbedarftheit des Formulierenden. Welche Menge denn im Einzelnen genau und welcher Preis? Im Rahmen der Planungen des Jahres 2008 zumindest war diese Plattitüde zunächst noch kommentarlos hinnehmbar. Die Menge ist die oben genannte Differenz aus Erzeugung und Einspeisung, der Preis, das sind die gesetzlich festgelegten 25,01 Ct/kWh für Solar/Gebäude-Anlagen mit Inbetriebnahme in 2009. Etwas neue Mengenermittlung also, ein neuer Tarif im Abrechnungssystem und weiter geht´s!
Die Geburtsstunde des umsatzsteuerrechtlichen „Ping-Pong-Spiels“
Da hatten die Netzbetreiber die Rechnung aber ohne die oberste Finanzbehörde der Länder gemacht! Nicht genug, dass das Hauptzollamt gerne mal im Stadtwerk vorbeikam und nach echtem Grünstrom und dessen Grünstrom-Leitungen suchte, ganz so, als hätten Elektronen eine Farbe. Wie ist das jetzt mit dem „Direktverbrauch“ beim Erzeuger vor Ort? Wer liefert oder leistet denn da nun im Rahmen der Umsatzsteuer? Niemand? Das wiederum kann nicht sein und wenn doch, dann ist das zu ändern! So wurde zum 01.04.2009 ein Konstrukt geboren, das ich in meiner beruflichen Laufbahn immer als das „steuerrechtliche Ping-Pong-Spiel“ bezeichnet hatte und das später analog auch für nach dem KWKG bezuschlagte Anlagen eingeführt wurde.
So musste also seither steuerrechtlich fingiert werden, dass die komplette Erzeugung, also echte Einspeisung plus Selbstverbrauch, in das Netz eingespeist wird und der selbstverbrauchte Anteil der Erzeugung durch den Anlagenbetreiber vom Netzbetreiber zurückgekauft werden muss. Das Ganze immer dann, wenn (und solange) für die komplette Erzeugung dem Grunde nach ein Vergütungsanspruch besteht. Für jeden Kleinunternehmer konnte so ein „Steuerschaden“ generiert werden, indem alles, was an das Netz geleistet wurde, mit 0% USt erfasst wurde und alles, was vom Netz bezogen wurde, dagegen mit 19% – und schon war es das mit dem gerade angelegten neuen und simplen Vergütungstarif. Die im EEG festgehaltenen 25,01 Ct/kWh wurden in der operativen Umsetzung so zur vollen Einspeisevergütung für die komplette Erzeugung, seinerzeit 43,01 Ct/kWh für die erste Leistungszone bis 30 kW; der „Rückkauf“ kostete den Anlagenbetreiber wiederum 18 Ct/kWh.
Das 1. EEG-Änderungsgesetz zum 01.07.2010 zeigt seine Wirkung: Vergütungskategorien-Maximum für Solar/Gebäude-Anlagen
Da die Möglichkeit der vergüteten Nutzung des selbst erzeugten Stroms aus Solar/Gebäude-Anlagen für solche Anlagen mit einer Inbetriebnahme ab dem 01.07.2010 von 30 auf 500 kW angehoben wurde und der Gesetzgeber zusätzlich auch noch der Meinung war, einen Eigenverbrauchsanteil von mehr als 30% der Gesamterzeugung der Anlage nochmals stärker fördern zu müssen, kam es dazu, dass eine Vergütungsabrechnung einer Solar/Gebäude-Anlage mit vergütetem Selbstverbrauch schon auch mal aus 12 verschiedenen Vergütungskategorien bestehen konnte (einzusehen auf netztransparenz.de). Der Gipfel der finanziellen Bevorzugung von solarem Selbstverbrauch war damit erreicht – das Pendel stand vor seiner ersten Umkehr, an dessen nächster Umkehr die EEG-Umlage auf unvergütete personenidentisch selbstverbrauchte Erzeugung stand.
Alles also nur Menge mal Preis? Ganz am Ende schon, aber vorher kommt der mehrstufige Dreisatz und so wurde der hier geschilderte Anwendungsfall zu einer Übungsaufgabe, die ich meinen Studierenden zwischen 2014 und 2019 vorsetzte, sowie den Teilnehmenden meiner Grundlagenschulung heute noch, um ihnen das Prinzip der EEG-Vergütungsermittlung zu erläutern.
Das umsatzsteuerrechtliche „Ping-Pong-Spiel“ bekommt erste Risse: Aufhebung für KWKG-Anlagen
Im Direktverbrauch eine Lieferung oder Leistung zu erkennen, mag vielleicht bereits im Jahr 2009 genauso sinnbefreit gewesen sein, wie die Suche nach den grünen Elektronen bzw. Stromleitungen. Vorgabe war aber Vorgabe und so hat diese rein umsatzsteuerrechtlich induzierte fingierte Hin- und Rücklieferung des Selbstverbrauchs seither unglaubliche Aufwände bei denen verursacht, die das Thema umzusetzen hatten. Das waren die VNB und nachfolgend natürlich auch die ÜNB.
Wer dieses steuerrechtliche Konstrukt schon immer zumindest fragwürdig fand, konnte sich im Jahre 2021/22 bestärkt sehen durch den Leitsatz eines Urteils des Bundesfinanzhofs (29 XI R 18/21) der da besagte: „die Zahlung eines sog. KWK-Zuschlags für nicht eingespeisten, sondern dezentral verbrauchten Strom gemäß § 4 Abs. 3a KWKG 2009 führt nicht zu einer Lieferung i.S. von § 3 Abs. 1 UStG.“
Was für ein Knall – und das war es dann also mit dem steuerrechtlichen „Ping-Pong“ auf die Einspeisevergütung (respektive der vermiedenen Netznutzung) bei KWKG-Anlagen, für die dem Grunde nach ein Zuschlagsanspruch auf die KWK-Nettostromerzeugung bestand.
Berechtigte Frage damals: Fällt diese Hin- und Rücklieferungsfiktion dann auch automatisch für die Solar/Gebäude-Anlagen mit vergütetem Selbstverbrauch weg? Mitnichten, denn das Urteil bezog sich ja explizit nur auf Anlagen, die nach dem KWKG vergütet werden!
Die Hin- und Rücklieferungsfiktion fällt endgültig
Fast auf den Tag genau 16 Jahre nach dem „Ping-Pong-Urknall“ – am 31.03. dieses Jahres – veröffentlichte das Bundesministerium der Finanzen ein Schreiben, dass nun im Ergebnis auch für die betroffenen Solar/Gebäude-Anlage zum selben Ergebnis kommt. Auch vergüteter EEG-Selbstverbrauch stellt demnach nun umsatzsteuerrechtlich gerade keine Lieferung mehr dar, womit es sich bei diesem demnach um einen nichtsteuerbaren, echten Zuschuss handelt.
16 Jahre Aufwand und am Ende hätte das alles gar nicht sein müssen!
Zeitlicher Horizont bezüglich des Wegfalls der Regelung für Solar/Gebäude-Anlagen
Aber vorbei ist vorbei und so gilt: Zukünftig gibt es bezüglich der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung des vergütungsrelevanten Eigenverbrauchs keinen Unterschied mehr zwischen EEG- und KWKG-Anlagen.
Wirkungsbeginn der Neuregelung für Solar/Gebäude-Anlagen laut BMF-Schreiben vom 31.03.2025: die Neuregelung gilt ab sofort für alle offenen (Abrechnungs-)Fälle. Aber: „Es wird jedoch – auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs – nicht beanstandet, wenn die Beteiligten für vor dem 1. Januar 2026 ausgeführte Umsätze übereinstimmend Abschnitt 2.5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses in der bis zum 31. März 2025 geltenden Fassung anwenden.“ Das heißt, es existiert eine Übergangsregel bis zum 31.12.2025, nach der das bisherige Vorgehen beibehalten werden darf. Spätestens ab dem 01.01.2026 ist die Umstellung dann Pflicht, was sich operativ vermutlich auch als einheitliches Umstellungsdatum innerhalb der Abrechnungssysteme anbieten wird.
Operativer Nachhall: Beibehaltung der Netto-Abrechnungsmechanismen im EEG
Was sich nach Ermittlung der EEG-relevanten Nettovergütung auch immer umsatzsteuerrechtlich vereinfachen mag ab spätestens 2026: Jeder der sich beruflich mit den Vergütungsmechanismen und -kategorien des EEG auseinandersetzt weiß, dass diese einem, wenn sie einmal „geboren“ wurden, so lange erhalten bleiben, bis auch die letzte Anlage aus der ersten gesetzlichen Vergütung fällt, die noch vom entsprechenden Mechanismus betroffen war.
So bleibt es zwar im komplexesten Abrechnungsfall bei 12 verschiedenen Vergütungssätzen, aber das ganze System zur Mengenermittlung zurückzubauen auf den Stand vom 31.03.2009, das wäre vielleicht dann doch auch zu viel des Guten gewesen.
In eigener Sache
Haben Sie Fragen rund um die Vergütungsmechanismen nach EEG und KWKG? Benötigen Sie Unterstützung bei den aktuell laufenden Jahresabschlussarbeiten, oder durften Sie neues Personal in Ihrem Einspeiseteam begrüßen, dem eine Grundlagenschulung eine gute Begleitung beim Einstieg bieten würde? Ich bin jederzeit gerne für Sie da!
Herzliche Grüße
Kai Steinkamp