Konzeptionelles Produktmanagement beim BMWK – oder die geplanten Neuerungen in EnWG, EEG & Co.

Liebe Leser,

nach dem Solarpaket I stehen uns im Verteilnetzbetrieb (Strom) mit dem „Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts im Bereich der Endkundenmärkte, des Netzausbaus und der Netzregulierung“, voraussichtlich in naher Zukunft, die nächsten großen Änderungen an EnWG, EEG & Co. ins Haus.

Hochoffiziell soll das Gesetz, verkürzt gesagt, der Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben dienen.

Unter anderem sollen Netzengpässe in der Stromversorgung gemindert und Netzanschlussprozesse beschleunigt, vereinheitlicht und transparenter gestaltet werden. Mit der Einführung des Energy Sharing verlässt die Erneuerbaren-Teilhabe die Kundenanlage und soll sich zunächst das einzelne Bilanzierungsgebiet erobern. Verbliebene Hemmnisse nach Inkrafttreten des Solarpakets I sollen darüber hinaus weiter gemindert werden, um den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien zu fördern. Ebenso sollen Klarstellungen verbliebener Rechtsunsicherheiten erfolgen.

Umsetzung von EU-Vorgaben in nationales Recht also – dazu noch unter teilweiser direkter Fortschreibung des Solarpakets I? Da mag sich der ein oder andere aus dem stromseitigen Netzbetrieb doch zumindest vorsichtig fragen, ob die neuerlichen Änderungen wirklich durchdacht sein mögen und ob die versprochenen Klarstellungen denn nicht vielmehr neue Fragen aufwerfen werden, als vorhandene zu beantworten.

Nach der Sichtung des Referentenentwurfs des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) vom 27. August bleibt man aus Sicht der Marktrolle „Netzbetreiber“ (Strom) erstaunt zurück.

Realitätsbejahend wurde da einfach die Pflicht zum bilanziellen Ausgleich von Redispatchmaßnahmen durch Verteilnetzbetreiber geparkt. Voraussichtlich im nächsten Sommer möchte die BNetzA dann verkünden, für welche Anlagen im Verteilnetz und vor allem unter welchen Bedingungen dann zukünftig ein bilanzieller Ausgleich erfolgen könnte. Hat man die Entwicklung zu diesem Thema verfolgt, ist das ein echter „Knaller“!

Der Netzanschlussprozess stellt inhaltlich eines der umfassendsten Themen der geplanten Novelle dar. Da kommt mit den neuen Anforderungen sowie der Vereinheitlichung der Verfahren aus EnWG und EEG einiges auf die Verteilnetzbetreiber zu. Am Ende soll ein Installateur mehr oder minder keinen Unterschied mehr feststellen, ob er nun eine Anlage in Oberstdorf oder Flensburg anmeldet. Es soll schneller gehen und auf digitalem Wege laufen. Verfügbare und reservierte Netzanschlusskapazitäten sollen dem Interessierten transparent gemacht werden. Für größere Anlagen soll es visuell aufbereitete Möglichkeiten geben, sich in Echtzeit Auskünfte zur möglichen Anschlusssituation einzuholen und Kapazitäten zu reservieren. Es soll über einen zentralen Einstieg vereinfachte Möglichkeiten geben, bundesweit einheitlich Messkonzepte zu bestellen oder auch Mengenverteilschlüssel zu kommunizieren. Diese sehr verkürzte Aneinanderreihung von Schlagworten ist keinesfalls abschließend. Konkrete Fristen, Größendifferenzierungen und technische Anforderungen ließ ich unter anderem unerwähnt.

Worauf ich an dieser Stelle zum Thema Netzanschlussprozess hinaus will: Das BMWK meint es wirklich ernst mit der Vereinheitlichung, Digitalisierung und Vereinfachung für die Installateure und Anlagenbetreiber. Leitplanken werden derart klar gesetzt, dass sich die gesetzlichen Neuerungen nebst deren Begründung fast schon wie eine Kombination aus Grob- und Feinkonzept für die Softwareanbieter der Verteilnetzbetreiber bzw. für die Verbände lesen, die sich der Themen werden annehmen müssen. Beinahe schon rechnete der erstaunte Leser mit einer Anlage zum EnWG, die den jeweils zugehörigen Programmcode für jede technische Plattform enthält. Da das natürlich nicht der Fall ist, der Rat an alle, die sich konkret mit der kommenden Umsetzung befassen: Begründung lesen!

Mit dem EU-seitig verlangten Energy Sharing des neuen § 42c EnWG erwartet uns die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung, die der Kundenanlage entwachsen sein wird. Analog zu dieser kann aber in Sachen Dringlichkeit zunächst Entwarnung gegeben werden. Es gilt noch einiges zu regeln und festzulegen, bevor es jenseits von bilateralen Pilotprojekten mit dem Energy Sharing richtig losgehen kann. Da dem Gesetzgeber nicht entgangen zu sein scheint, dass die saubere Strommengenbilanzierung der Netzstabilität dient, wird eine Umsetzung durch den Netzbetreiber ab Juni 2026 zunächst innerhalb eines Bilanzierungsgebiets und ab Juni 2028 „innerhalb des Bilanzierungsgebietes eines Elektrizitätsverteilernetzbetreibers sowie in dem Bilanzierungsgebiet eines direkt angrenzenden Elektrizitätsverteilernetzbetreibers in derselben Regelzone“ verlangt. Mit dem grundsätzlich eröffneten rechtlichen Rahmen wurde zunächst einmal nur der Anforderung aus der Umsetzung der novellierten Strombinnenmarktrichtlinie Genüge getan.

Mit Anerkennung von Realitäten, exakten Formulierungen und eher bedächtigem Vorgehen aber nicht genug! Zusätzlich werden Anwendungsfragen des ursprünglichen EEG 2023 und des EEG 2023 neue Fassung (Solarpaket I) in einer Form konkretisiert, dass es einem schon fast mulmig wird („einer“ sei hier beispielhaft der Volljurist oder der Unternehmensberater wie ich einer bin):

  • Bezüglich der finanziellen Beteiligung von Kommunen (§ 6 EEG) wird bestimmt, dass ab Inkrafttreten der Gesetzesänderungen für neu geschlossene oder angepasste Vereinbarungen effektiv einheitlich nur noch für vergütete Einspeisemengen eine finanzielle Beteiligung an die betroffene Kommune gezahlt werden darf. Das Thema Ausfallarbeit bei Windkraftanlagen an Land ist damit raus.
  • Für sogenannte „Garten-PV-Anlagen“ erfolgt in den Begriffsbestimmungen des EEG eine Klarstellung, dass es sich bei diesen nicht um Freiflächenanlagen im Sinne des Gesetzes handelt und diese somit nicht mit echten Freiflächenanlagen nach den verschiedenen Regelungen des EEG zusammenzufassen sind.
  • Zum Thema „Zuordnung geringfügiger Verbräuche“ (§ 10c EEG) erfolgt die Klarstellung, dass die Regelung mit Wirkung ab dem 16.05.2024 auch für Bestandsanlagen gilt. Bisher war das eher eine begründete Vermutung.
  • Es wird zu § 52 Abs. 1 Nr. 11 EEG ganz konkret formuliert, dass die nachträgliche Minderung der durch einen Doppelverstoß ausgelösten Sanktion zu erfolgen hat, sobald eine der beiden Pflichten, gegen die zuvor kumulativ verstoßen worden sein musste, erfüllt wird. Was hätte uns diese Formulierung inklusive der klaren Definition des Doppelverstoßes im Zuge des ersten EEG 2023 nicht alles ersparen können!
  • Für Strommengen, die ab Inkrafttreten der Neuregelungen eigespeist werden, entfällt das sanktionsbewehrte Verbot, eine PV-Anlage, die dem „Marktintegrationsmodell (MiM)“ unterfällt, mit einer oder mehreren anderen PV-Anlagen über eine gemeinsame Messeinrichtung abzurechnen, die nicht dem „MiM“ zugeordnet sind. Penibel schildert der Gesetzgeber nachfolgend, wie rechnerisch vorzugehen ist bezüglich der Mengenseparierung, wenn eine „MiM-Anlage“ mit Erzeugungsmessung mit einer weiteren „Nicht-MiM-PV-Anlage“ gemeinsam gemessen wird, die gerade keine separate Erzeugungsmessung besitzt. Siehe BMWK-Konzept zum Thema Netzanschlussprozess!

 

Wenn es derart klare Formulierungen bereits vor 15 Jahren gegeben hätte…

Etwa um diese Zeit hatte ich mich auch bereits gefragt, welcher zwingenden Logik der energetische Ausgleich zum Jahresabschluss EEG in seiner konkreten Ausprägung folgt. Geschenkt – auch der soll entfallen ab Inkrafttreten der Gesetzesnovelle!

Unabhängig vom Inhalt bot der hier behandelte Referentenentwurf tatsächlich zahlreiche erhellende Momente in bisher unbekanntem Ausmaß.

Für all die, die Näheres zu den hier angerissenen und weiteren Themen aus der Gesetzesnovelle erfahren möchten und die, die sich schlichtweg das Gesetzesstudium ersparen möchten, werde ich Webinare im bekannten Format „…für Praktiker aus Netzbetreibersicht“ anbieten. Da ich ungern über ungelegte Eier sprechen möchte (und schon gar nicht gegen Entgelt!), werde ich aber zunächst den weiteren Gesetzgebungsprozess verfolgen und hoffen, dass durch etwaige Überarbeitungen keine Klarheiten aus dem Referentenentwurf beseitigt werden.

Soweit wichtige und noch ausstehende Klarstellungen zu den Themen Messung und Fernsteuerung (§ 9 EEG) noch mit aufgenommen werden sollen, kann sich der Gesetzgebungsprozess durchaus auch noch ziehen. Hoffen wir, dass auch zu diesen Themen klare Aussagen getroffen werden. Die Hoffnung ist geweckt.

Übrigens: Sobald es wirklich Konkretes zur „Wachstumsinitiative“ des BMWK vom 05.07.2024 gibt, die viele Einspeiser zu der irrigen Annahme verleitet hatte, es gebe ab 2025 keine Einspeisevergütung mehr, erfahren Sie es natürlich ebenfalls über diesen Kanal!

 

Ihr

 

Kai Steinkamp