Künstliche Intelligenz und die Anlagenzusammenfassung nach dem EEG

Liebe Leser,

künstliche Intelligenz begeistert und erstaunt. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass von neuen und ungeahnten Möglichkeiten berichtet wird.

Die sorgenvollen Stimmen sind, zumindest medial, leiser. Wer möchte schon von gestern sein?

Ich hingegen will ganz offen sein und meine Sorge um die berufliche Ersetzbarkeit mit Ihnen teilen, denn so gut wie jede, zumindest geistige, Tätigkeit könnte doch auf kurz oder lang auch von der KI übernommen werden! Zwar hat man bereits in der Volkswirtschaftslehre von der goldenen Zukunft mit Wohlstand für alle ohne individuelle Arbeit gehört, einzig der Glaube an den reibungslosen Übergang lässt noch auf sich warten.

Mich mit meiner Beratungstätigkeit rund um EEG, KWKG und EnWG scheint das mit der Ersetzbarkeit in aller Härte zu treffen, denn wer benötigt, zum Beispiel beim Verteilnetzbetreiber Strom, meinen Rat noch, wenn man seine Fragen und Anliegen doch schlicht und einfach an einen intelligenten Chatbot richten kann?

Ein Selbstversuch sollte zum einen klären, inwieweit meine Arbeit überhaupt noch zielführend ist und zum anderen wollte ich mir einmal ein kleines Stück Faulheit gönnen, denn warum sollte ich mir noch die Mühe machen, und Sie in Eigenarbeit auf die Fallstricke der Neuregelungen der Anlagenzusammenfassung nach dem EEG hinweisen? Eigenarbeit! Die könnte bald schon so verpönt sein wie eine Streckenplanung nach Landkarte oder, legen wir noch einen obendrauf: ein mechanisches Schloss an der Autotür!

Mein Fazit trotz konkretisierender Nachfragen? Erfrischend ernüchternd! Ich werde meiner Arbeit also doch noch eine gewisse Zeit lang nachgehen können, bis es der KI gelingt, neue Erkenntnisse aus einem Wissensschatz abzuleiten, zu begründen und auch belastbar zu vertreten. Ab diesem Zeitpunkt würde ich natürlich mitten in die Schwemme der arbeitslos gewordenen Rechtsanwälte geraten, wäre deren Berufsstand, im Gegensatz zu meinem, nicht schon von Rechts wegen abgeschirmt.

Dann also ohne Chatbot zur Anlagenzusammenfassung nach dem EEG, die ich im Sinne der Vereinfachung in meiner Frage an den Bot auf die Anlagenzusammenfassung nach § 24 EEG beschränkt hatte.

Der Gesetzgeber hatte unter anderem auch bezüglich der Anlagenzusammenfassung nach dem EEG Vereinfachungen per Solarpaket I versprochen. Zeitabhängige Änderungen trifft das Ergebnis für die Verteilnetzbetreiber allerdings besser! Beweis nachfolgend.

Der geneigte Leser aus dem Netzbetrieb ist seit vielen Jahren vertraut und regelmäßig konfrontiert mit dem Thema der Anlagenzusammenfassung nach den §§ 9 (technische Vorgaben bei Solaranlagen), 24 (Höhe des Vergütungsanspruchs, Schwellwerte zu Direktvermarktungs- und Ausschreibungspflicht) und seit Mitte 2022 auch § 48 Abs. 2a Satz 2 EEG (Ausnahmeregelung bei Trennung von Voll- und Überschusseinspeisung bei Solar/Gebäude-Anlagen).

Vermutlich sind daher nachfolgende wesentliche Punkte, die Sie bei der Anwendung der Zusammenfassungsregeln seit dem 16. Mai beachten müssen, für viele schon ein „alter Schuh“, zumindest für diejenigen, die an einem meiner Webinare am 25. (Steinkamp EnErGie) bzw. am 31. Juli (IVU Akademie) teilgenommen haben:

  • Anlagen werden nach der neuen Gesetzeslage nur noch dann zusammengefasst, wenn sie sich hinter demselben Netzverknüpfungspunkt befinden.
  • Von der Zusammenfassungsregel grundsätzlich ausgeklammert werden Steckersolargeräte, die hinter der Entnahmestelle eines Letztverbrauchers mit insgesamt bis zu 2 kW und 800 VA betrieben werden.
  • Bürgerenergieanlagen (sowohl Windkraft als auch Solar-Freifläche) werden nur noch untereinander nach § 24 zusammengefasst, nicht aber mit Anlagen, die keine Bürgerenergieanlagen sind.
  • Streichung des Erfordernisses der „Gebäudegleichheit“ bezüglich der Ausnahmeregelung von der §-24-Anlagenzusammenfassung nach § 48 Abs. 2a EEG für gemeinsam betriebene PV-Voll- und Überschusseinspeiseanlagen.
  • Die neuen Zusammenfassungsregelungen der §§ 9 und 24 sind erst für Anlagen mit Inbetriebnahme ab dem 16.05.2024 anzuwenden. Gleiches gilt für die Neuregelung unter § 48 Abs. 2a Satz 2 EEG.

 

Daher an dieser Stelle noch einige weitere Punkte, die sich aus den Neuregelungen zur Anlagenzusammenfassung zum 16. Mai ableiten, die zunächst nicht ganz offensichtlich sind, und die sich vor allem dann ergeben, wenn eben auch einmal mehr als nur ein Steckersolargerät zugebaut wird – ein Thema, zu dem in Fachkreisen wenig berichtet wird:

  • Das Steckersolargerät wird in den Regelungen zur Anlagenzusammenfassung mit starren Leistungsgrenzen als ein solches in seiner Gesamtheit definiert. Daher entfällt der gedachte Status „privilegiertes Steckersolargerät“ hinter der Entnahmestelle des Letztverbrauchers komplett für alle Steckersolargeräte ab dem Zeitpunkt einer Leistungsüberschreitung, wodurch die Leistungssumme aller Steckersolargeräte (Inbetriebnahme unerheblich!) ab diesem Moment prinzipiell in den Zusammenfassungsregeln der §§ 9 und 24 mit berücksichtigt werden muss.
    • Bei § 9 zählt ab diesem Moment die Gesamtleistung der fiktiven Anlage (normale + Steckersolar) für alle Anlagen innerhalb der „Zusammenfassungskette“.
    • Bei § 24 gilt wiederum das „Windhundprinzip“ („für den jeweils zuletzt in Betrieb gesetzten Generator“). Soweit die Clearingstelle nichts anderes entscheidet, wäre daher wohl erst ab dem leistungsüberschreitenden Steckersolargerät-Zubau die Gesamtleistung aller Steckersolargeräte zu berücksichtigen für Anlagen, die nachfolgend installiert werden. Für Anlagen, die zeitlich davor zugebaut wurden, müsste das „Steckersolar-Privileg“ weitergelten, was dazu führt, dass für diese Anlagen keine nachträgliche, ggf. andernfalls nötige, Anpassung der vergütungsseitigen Leistungszonung erfolgen muss.
  • Durch Streichung des Erfordernisses der „Gebäudegleichheit“ bezüglich der speziellen Anlagenzusammenfassung nach § 48 Abs. 2a EEG für gemeinsam betriebene PV-Voll- und Überschusseinspeiseanlagen liegt der Fokus nur noch auf dem Grundstück. Daraus ergibt sich ein Vorteil bei zwei Anlagen auf einem Grundstück, die sich jeweils auf einem separaten Gebäude befinden. Wenn sich auf einem Grundstück aber bspw. zwei Gebäude befinden, auf denen sich jeweils zwei Anlagen befinden, dann kann nicht mehr wie früher jeweils gebäudespezifisch getrennt werden!
  • An dieser Stelle, weil das Thema regelmäßig von Anlagenbetreibern aufgebracht wird: Sobald ein Steckersolargerät mit einer „normalen“ PV-Anlage an einer gemeinsamen Messeinrichtung „hängt“, muss zwingend eine Mengenaufteilung nach § 24 Abs. 3 EEG erfolgen (hier: Aufteilung per installierter Leistung). Ein Wahlrecht gibt es nicht, soweit die anlagenspezifischen Mengen nicht anderweitig messtechnisch separiert werden können!

 

Fühlen Sie sich als Mitarbeiter im Netzbetrieb noch nicht zu 100% sattelfest, was die Anforderungen aus dem Solarpaket I, Anlagenzusammenfassung inbegriffen, angeht?

Dann melden Sie sich am besten gleich zu meinem Webinar am 17.09. zum Thema „Das Solarpaket I für Praktiker aus Netzbetreibersicht“ an (https://steinkamp-energie.de/veranstaltungen/)!

Sie sind Mitglied des ARGE DV e.V.? Dann profitieren Sie von Ihren Vorteilen und besuchen Sie die analoge Veranstaltung am 24.09. (https://www.argedv.de/veranstaltungen/workshops.html?view=article&id=182&catid=2)!

Wenn alle Stricke reißen und Sie die Zeit einfach nicht finden: Den Foliensatz erhalten Sie auf Nachfrage auch direkt bei mir.

 

Ihr

 

Kai Steinkamp